Sterbende und trauernde Menschen nicht alleinlassen: Dafür setzen sich Seelsorger im Hospiz- und Palliativbereich und in der Trauerpastoral ein.
Schwester Maria Thiede sitzt am Krankenbett. Behutsam legt sie ihre Hand auf die von Ingrid Fischer. Die 82-Jährige hat Leukämie und wird bald sterben. Nach gut zwei Jahren Chemotherapie und Bestrahlung ist sie seit einigen Wochen bettlägerig. „Ansprechbar ist sie immer seltener. Sie schläft viel“, erzählt Ingrids Tochter Hannah mit Tränen in den Augen. „Die nächsten Wochen werden viel Kraft kosten.“ In dieser Zeit wird sie nicht allein sein. Heute bekommt sie zum ersten Mal Besuch von Schwester Maria vom ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst in Lemförde.
Mit über 40 Jahren Berufserfahrung als Krankenschwester weiß Schwester Maria um die Sorgen und Nöte der Angehörigen, die einen Menschen pflegen. Schuldgefühle und Ratlosigkeit begegnen ihr oft. Sie entlastet die Angehörigen bei der Betreuung, hört zu und steht als Gesprächspartnerin zur Verfügung. Auf Wunsch werden die Hinterbliebenen auch nach dem Tod begleitet. „Ich bin einfach da – offen für die Wünsche der Betroffenen“, sagt Schwester Maria. Ihre Stimme klingt sanft und hat etwas Beruhigendes. „Heute Nacht bleibe ich bei ihrer Mutter. Sie brauchen mal eine Nacht Schlaf“, sagt die Schwester zu Hannah Fischer.
Eine Herzensangelegenheit
Für Angehörige und Sterbende da zu sein – für Schwester Maria ist das eine Herzensangelegenheit. „Wenn die Krankheit es noch zulässt, spreche ich selbst mit dem Sterbenden über seine aktuelle Situation und über das, was ihm bevorsteht – auch mit Blick auf das, was nach dem Tod kommen mag“, erzählt die Schwester. Jede Situation erfordert eine individuelle Begleitung: „Ein 30-jähriger Krebspatient bedarf einer anderen Betreuung als ein 90-Jähriger, dessen Organe versagen.“
Helfen, Sicherheit geben und Trost spenden – ein Balanceakt, der einer fundierten Ausbildung bedarf. Unterstützt werden Koordinatoren wie Schwester Maria von vielen Hospizhelfern in Lemförde. „Knapp 30 Helfer arbeiten bei uns. Das macht das intensive Arbeiten vor Ort erst möglich“, betont die Ordensfrau. Zudem seien sie auch in den umliegenden Heimen tätig. Die Ehrenamtlichen begleiten in den Einrichtungen Bewohner, Angehörige und Pflegekräfte dabei, Abschiedssituationen gut zu gestalten. Der Hospizdienst in Lemförde ist einer der ältesten in Niedersachsen. Getragen wird er von der katholischen Kirchengemeinde.
„Die Hospizarbeit will Schwerkranken und ihren Angehörigen Mut machen und ihnen unaufdringlich zur Seite stehen. Hospizbewegung und Palliativarbeit engagieren sich dafür, Sterben, Tod und Trauer als wichtige Teile des Lebens zu sehen und zu gestalten“, erklärt Anja Egbers. Sie ist Referentin für Hospizarbeit und Trauerpastoral im Bistum Osnabrück.
Was am Beispiel des ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienstes in Lemförde deutlich wird, zeigt sich auch in anderen Zusammenhängen. Die Kirche teilt und unterstützt die Anliegen der Hospiz- und Palliativbewegung ausdrücklich. So hat das Bistum Osnabrück gemeinsam mit allen evangelischen Landeskirchen und Bistümern in Niedersachsen die Hospizstiftung Niedersachsen ins Leben gerufen. Die Finanzmittel der Stiftung dienen der Arbeit der Ehrenamtlichen in den niedersächsischen Hospizinitiativen.
Zudem setzt sich das Bistum Osnabrück dafür ein, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger mit den neu entstehenden Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zusammenarbeiten und auf Wunsch die sterbenden Menschen und ihre Angehörigen seelsorglich begleiten. Auch auf den Palliativstationen in den Krankenhäusern sind katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger für die Schwerstkranken und Sterbenden und die ihnen nahestehenden Menschen da.
Trauernde nicht alleinlassen
Und auch nach dem Tod bleiben die Hinterbliebenen im Blick der Kirche. „In vielen Kirchengemeinden wächst die Sensibilität für die Bedürfnisse trauernder Menschen. In den letzten Jahren sind Angebote wie Trauercafés oder Gesprächsgruppen entstanden, die sehr gut angenommen werden“, berichtet Anja Egbers zur Trauerpastoral im Bistum Osnabrück. Die Gemeinde zu einem Ort zu machen, an dem Trauernde sich aufgehoben fühlen, erfordere Kreativität, Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. „Gelingt es, verändert sich nicht nur etwas für die Trauernden. Die neue Atmosphäre strahlt weiter aus“, so die Pastoralreferentin.
Diese Erfahrung haben zwei Pfarreiengemeinschaften im südlichen Emsland mit einem neuen Projekt gemacht: Dort sind Ehrenamtliche ausgebildet worden, die im Namen der Kirchengemeinde einige Wochen nach der Beerdigung trauernde Angehörige besuchen. Die Resonanz auf diesen neuen Dienst ist ausgesprochen positiv. Solche Entwicklungen sind gute Beispiele, wie die Seelsorge für trauernde Menschen weiterentwickelt werden kann. In den kommenden zwei Jahren will das Bistum Osnabrück sich besonders intensiv um diese Fragen kümmern.
*Name geändert
Zur Sache
Kirche hilft vor Ort: ob mit einem ambulanten Hospizdienst wie in Lemförde, mit Trauercafés für Betroffene wie in Melle oder Bad Laer, mit Gruppen in Gemeinden für Witwen und Witwer oder Reiseangeboten für Trauernde in Ankum. Auch der Beerdigungsdienst und Einzelgespräche in den Gemeinden gehören dazu.
Quelle: „Einblicke: Finanzberichte 2013“, Bistum Osnabrück